Beratungsprozesse und konzepte
Im Rahmen des Projekts BfA-Gelingt wurde im Rahmen einer umfassenden qualitativen Untersuchung mit verschiedenen Akteuren im Feld BfA (z.B. Menschen mit Behinderung, deren Eltern, Arbeitgeber, Fachkräfte, Akteure aus Sozialpolitik und Recht) hemmende und fördernde Faktoren für die Inanspruchnahme des BfA als Instrument für den Übergang und Verbleib auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abgeleitet. Die Ergebnisse mündeten in Konzepte zur Beratung und Information verschiedener Zielgruppen. Neben den (potenziellen) Budgetnehmer:innen werden dabei auch (potenzielle) Arbeitgeber:innen, die Ebene von Sozialrecht- und Sozialpolitik sowie operative und strategische Fachkräfte der WfbM und anderen Leistungsanbieter angesprochen. Das Beratungskonzept für Arbeitgeber: innen ist dabei als digitales, interaktives Tool gestaltet, das wie ein FAQ verwendet werden kann.
Grundlage für diesen Beratungsansatz bietet der digitale Ergebnisbericht des NVBIT (vgl. 2.1), der zunächst den Teilnehmenden zur eigenständigen Auseinandersetzung vorliegt. Durch den Bericht, die als interessant ausgewählten Bilder, Infoflyer und Videos können sich die Teilnehmenden auf das anschließende Beratungsgespräch vorbereiten und eigene Gedanken formulieren. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, im Beratungsgespräch stärker auf Augenhöhe zu agieren. Seitens der Fachkräfte ist dabei ein gezielt exploratives Vorgehen notwendig, das eine starke Arbeit am Bildmaterial benötigt und gleichzeitig non-direktiv die Erkundung beruflicher Interessen im Gespräch ermöglicht. Das entsprechende Vorgehen ist in einem Beratungskonzept zum NVBIT zusammengefasst.
Eine wesentliche Gelingensbedingung für nachhaltige Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt von Menschen mit Behinderungen stellt die Schaffung geeigneter Arbeitsplätze dar. Die Tätigkeiten müssen einerseits den Kompetenzen und Interessen der zukünftigen Mitarbeitenden entsprechen und andererseits einen ausreichend bedeutsamen Beitrag zum Gelingen des Unternehmensauftrags und Teamgefüge leisten, um Anerkennung und soziale Einbindung zu gewährleisten. Eine erfolgsversprechende Maßnahme ist das sogenannte Job-Carving, bei dem es darum geht, gezielt Tätigkeiten aus bestehenden Beschäftigungsverhältnissen sinnvoll zu bündeln, um ein neues, für spezifische Bewerber:innen passendes Tätigkeitsprofil zu „schnitzen“. Dies erfolgt optimalerweise unter Einbeziehung der bestehenden Mitarbeiter:innenschaft und natürlich der Person, die später die entsprechende Tätigkeit ausfüllen soll. Um diese Prozesse entsprechend zu begleiten wurden im Projekt BfA-Gelingt jeweils ein Konzept zum Job-Carving im Gruppensetting und Job-Carving im Einzelinterview entwickelt und erprobt.
In nahezu jedem Beratungskontext ist es notwendig, Menschen mit unterschiedlichen Lebenslagen, individuellen Bedarfen und kulturellen Hintergründen und Erfahrungen zu begegnen. Kultursensitive Beratung berücksichtigt dabei wesentlich den individuellen Erfahrungshorizont der Klient:innen und nutzt mögliche kulturelle Einflussfaktoren als Erklärungsmodelle und Ressourcen in der Beratung. Darüber hinaus fördert kultursensitive Beratung das Verständnis und die Wertschätzung kultureller Unterschiede, was zu einer vertrauensvollen und respektvollen Beziehung zwischen Berater:innen und Klient:innen beiträgt. Sie unterstützt die Entwicklung maßgeschneiderter Lösungsansätze, die die kulturellen Werte und Normen der Klient:innen berücksichtigen und somit deren Akzeptanz und Wirksamkeit erhöhen. Kultursensible Gesprächsführung wird auch im Kontext von interkulturellen Trainings bedeutsam. Das Wissen um Kulturdimensionen oder Kulturstandards kann in interkulturellen Settings von Bedeutung sein, um Missverständnissen vorzubeugen, entsprechende Konventionen in Bezug auf Etikette einzuhalten und dem Gegenüber mit dem im gebührenden Respekt zu begegnen. Mit der Methode des Cultural Sensitizer wurde ein szenario-basierter Ansatz bereitgestellt, anhand dessen die Teilnehmenden eines interkulturellen Trainings ihr Wissen überprüfen und interkulturell akzeptierte Verhaltensweisen kennen zu lernen.
Häufig stellt die Begleitung von Personen in beruflichen Rehabilitations- und Integrationsmaßnahmen in Situationen, in denen sie nicht oder nicht mehr in der Institution (z.B. BBW, BFW, WfbM) sind, eine besondere Herausforderung dar, da die „direkten Wege“ der Kommunikation und Problemadressierung nicht wie gewohnt zugänglich sind. Konkrete Beispiele stellen Praktika, aber auch Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt dar. Für solche Settings haben wir ein Smartphone-gestütztes Monitoring gemeinsam mit einem persönlichen, niedrigschwelligen Coaching-Angebot kombiniert. Die Inhalte des Coachings werden dabei durch die Ergebnisse des Monitorings flankiert. Den Ansatz des ambulanten Monitorings und Coachings haben wir bereits umfangreich in der Begleitung von Personen in Übergangssituationen erprobt (z.B. Nachbetreuung beruflicher Rehabilitand:innen, Praktikumsbegleitung von Auszubildenden, und Übergangsbegleitung von Menschen mit geistiger Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Â
Motivierende Gesprächsführung wird als bewährter Beratungsansatz in Szenarien eingesetzt, in denen es darum geht, Veränderungsprozesse zu mobilisieren. Unsere Forschungs- und Entwicklungsprojekte zeichnen sich durch eine intensive Kooperation mit Praxiseinrichtungen (z.B. Berufsförderungswerke, Berufsbildungswerke, Jobcenter, WfbM) aus. Ziel ist in der Regel eine Weiterentwicklung des diagnostischen Vorgehens, bestehender Instrumente oder die Implementation neuer Ansätze in Beratung und Diagnostik. Motivierende Gesprächsführung kann hierbei in zweierlei Hinsicht einen fruchtbaren Ansatz darstellen: 1) Zur Schulung von Fachkräften (z.B. Berater: innen im Jobcenter, Reha- und Integrationsmanager:innen, Jobcoaches, Integrationsfachkräften), um die Qualität der Beratung und Unterstützung zu verbessern und die Veränderungsmotivation der Klient:innen zu aktivieren. 2) Zur Implementation von Veränderungen in den Abläufen der beteiligten Einrichtungen. Veränderungen von Prozessen gehen häufig mit Widerständen und Vorbehalten seitens der involvierten Fachkräfte einher. Diese gilt es akzeptierend und kooperativ aufzuarbeiten, um die Mitarbeitenden aktiv in die Prozesse einzubinden und ihre Eigenverantwortlichkeit im Prozess zu stärken.